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Gebissprobleme bei Pferden werden häufig nicht oder erst sehr spät erkannt. Dies ist in sofern verwunderlich, da bereits in den dreißiger Jahren der letzten Jahrhunderts eine gezielte Pflege des Pferdegebisses propagiert wurde. Prof. Dr. Becker, der auch an der Universität in Berlin lehrte, leistete hier Pionierarbeit. Als sich die Nutzung des Pferdes von der Arbeitskraft zum Freizeitpartner wandelte, ging dieses Wissen bei uns leider zu großen Teilen verloren.
Heute sind die USA und Kanada führend auf dem Gebiet der Pferdezahnpflege und Pferdezahnheilkunde. Erst in den letzten Jahren und der wieder steigenden Zahl an Pferden kommt die Erkenntnis, dass Pferdezahnpflege wichtig ist, ins Bewußtsein der Pferdebesitzer zurück.
Auf den folgenden Seiten sollen einige Punkte rund um die Pferdezahnbehandlung genauer erklärt werden.
Wir haben uns bemüht, die folgenden Seiten mit Fotos und Zeichnungen möglichst anschaulich zu gestalten. Fast alle Fotos lassen sich zum besseren Betrachten vergrößern. Einfach anklicken!
Eine gute Zahnpflege verhindert das Auftreten von Problemen und nutzt dem Pferd, da es eine wesentlich bessere Verdauung durch besseres Kauen entwickeln kann. So werden auch wesentlich niedrigere Futterkosten verursacht. Die Kolikanfälligkeit, und vor allem auch Schlundverstopfungen, werden stark vermindert.
Das Gebiss der Pferde ist von der Natur für die kontinuierliche Nahrungsaufnahme konzipiert. Dabei wird strukturiertes, recht hartes Futter zerkaut. Die Zähne des Steppentieres Pferd sind aufgrund der Evolution auf harte Gräser ausgelegt. Diese muss es mit den Schneidezähnen abbeißen und mit den Backenzähnen gründlich zermahlen, bis sie herunter geschluckt werden können. Zusätzlich zum Gras wird auch Rinde, Blätter, und etwas Erde mit aufgenommen.
Diese Nahrung stellt hohe Ansprüche an die Zähne. Der Kaudruck ist groß, und die Zähne werden kontinuierlich abgerieben. Die Natur hat es daher so eingerichtet, dass die Pferdezähne sich ein Pferdeleben lang immer weiter aus dem Kiefer herausschieben. Auf dem Bild kann man sehen, wie lang Pferdezähne im Verhältnis zum sichtbaren Teil sind. In der freien Natur befindet sich das Nachschieben und der Abrieb im Gleichgewicht.
Sehr wichtig ist dabei der gleichmäßige Abrieb aller Zähne über die gesamte Breite der Kaufläche.
Der Unterkiefer des Pferdes ist schmaler als der Oberkiefer, und die unteren Backenzähne sind schmaler als die Oberen. Daher liegen im Ruhezustand die Backenzähne nicht gerade übereinander, sondern berühren sich nur zum Teil. Wenn das Pferd korrekt kaut, bewegt es den Unterkiefer in einer weiten Kreisbewegung, so dass die Backenzähne sich gegenseitig in der vollen Breite abnutzen.
Die Schneidezähne nutzen sich beim Abbeißen der harten Gräser in der Natur ebenfalls ab. Dabei bleibt das wichtige Gleichgewicht zwischen dem Abnutzen und Nachschieben zwischen Backenzähnen und Schneidezähnen erhalten.
Viele der heute bei unseren Pferden auftretenden Zahnproblem beruhen darauf, dass wir unsere Pferde nicht artgerecht füttern (s.o.). Weiches weiches Heu, frisches Gras, häufige Körnerfütterung und energiereiches Futter in Form von Pellets entspricht nicht dem Futter für das die Pferdezähne ausgelegt sind. Dadurch verändert sich der Kauvorgang bei der Nahrungsaufnahme.
Aus diesem veränderten Kauvorgang und natürlich auch aus anderen Umwelt- und Zuchteinflüssen ergeben sich viele Probleme. Im folgenden Text haben wir die möglichen Probleme, die im Pferdemaul entstehen können, dargestellt:
Bei jungen Pferden im Alter von 2-5 Jahren kommt es relativ häufig zu Problemen mit dem Zahnwechsel. Die Probleme entstehen vor allem dadurch, dass die Milchzähne nicht immer von alleine und vollständig ausfallen.
Im Bereich der Schneidezähne werden die Milchzähne dann nicht nach oben zw. unten weggedrückt sondern im Zahnfleisch zur Seite gedrückt, wo sie dann sitzen bleiben und eine zweite Zahnreihe bilden. Diese zweite Zahnreihe stört dann die Entwicklung der bleibenden Zähne und verursacht so Folgeschäden.
Im Bereich der Backenzähne verklemmen sich die Milchzähne in der Zahnreihe und hindern so die von unten schiebenden “bleibenden” Zähne daran, in die richtige Position zu wachsen. Diesen Effekt kann man sogar von außen am Pferd sehen / fühlen. Es entstehen so genannte Bumps, das sind Knochenauftreibungen durch die in die „falsche Richtung wachsenden“ Zähne auf der Pferdenase und am Unterkiefer (siehe Bild unten).
Daher müssen die aufreitenden Zahnkappen oder persistierenden (festgewachsene) Milchzähne, entfernt werden. Gleiches gilt für im Zahnfleisch steckenden Zahnreste. Wird dies nicht gemacht, können die Folgeschäden immens sein und sogar zu Zahnwurzelvereiterungen oder zu Zahnfrakturen führen, so dass der gesamte neue Zahn entfernt werden muss.
Milchzahnkappen und Bumps Hier sieht man wie die bleibenden Zähne den Unterkiefer und den Oberkiefer ausbeulen. Der Grund dafür sind die sich nicht lösenden Zahnkappen (siehe Detailbild).“
Wann wechselt welcher Zahn? Wann wächst welcher Zahn?
Nur die Schneidezähne und die ersten drei Backenzähne werden als Milchzähne angelegt und wechseln. Die Nummerierung erfolgt von vorne nach hinten. Die Zeitangaben sind Durchschnittswerte, die Reihenfolge ist jedoch immer gegeben.
1. Schneidezahn : Wechsel 2 ½ Jahre
2. Schneidezahn : Wechsel 3 ½ Jahre
3. Schneidezahn : Wechsel 4 ½ Jahre
Wolfszahn : Durchbruch mit 6 bis 18 Monaten
Hengstzahn : Durchbruch mit ca. 4 Jahren
1. Backenzahn : 2 ½ Jahre
2. Backenzahn : 3 Jahre
3. Backenzahn : 3 ½ Jahre
4. Backenzahn : Durchbruch mit 1 Jahr
5. Backenzahn : Duchbruch mit 2 Jahren
6. Backenzahn : Durchbruch mit 3 bis 4 Jahren
Neben zu langen Schneidezähnen durch fehlende Abnutzung kann es bei den vorderen Zähnen auch noch zu anderen Problemen kommen:
Diese Probleme werden im Folgenden weiter erläutert.
falsche / schiefe Abnutzung
Schneidezähne in korrekter Linie Bei dieser Kontrolle muss der Betrachter darauf achten, gerade vor dem Pferd zu stehen und mit dem Auge auf Höhe der eingezeichneten Linie zu sein, sonst täuscht die perspektivische Verzerrung durch die Gebissrundung
Schneidezähne in gerader Linie
Als Folge von Blockaden im Bereich der Backenzähne kann es bei den Schneidezähnen zu falscher Abnutzung kommen. Grundsätzlich sollte die Linie zwischen oberen und unteren Schneidezähnen eine Gerade bilden. Wenn es sich dabei um eine schiefe Ebene oder eine gebogene Linie (Smile oder Frown) handelt, ist eine korrekte Kaubewegung nicht mehr möglich. Beim der seitlichen Kaubewegung werden die Backenzähne durch die Schneidezähne auseinander geschoben, und das Futter kann nicht richtig zerkaut werden.
Wichtig ist, dass Backenzähne und Schneidezähne nicht isoliert von einander betrachtet und korrigiert werden, da sich die Probleme gegenseitig beeinflussen!
Smile mit Zahnverletzung Die Verletzung ist wahrscheinlich durch Scheuern am Boxengitter entstanden (es scheint so, dass manche Pferde versuchen, die Fehlstellungen selber zu korrigieren).Schiefe Schneidezähne Hier kann man die unterschiedliche Länge der Schneidezähne gut sehen.Schneidezähne schief abgenutzt Ein Bild wie dieses bietet sich meist, wenn im Backenzahnbereich ein Scherengebiss vorliegt.
wenn ein Zahn fehlt
Neben zu langen Schneidezähen kann es auch zu Problemen kommen, wenn ein Zahn fehlt – zum Beispiel als Folge eines Weideunfalls. Die entstehende Lücke wird vom Gegenzahn gefüllt, der dann die Zahnlücke immer weiter auseinander schiebt.
gebrochener Zahn Der Unterkiefer ist bereits wellenförmig ausgebildet und drückt in die entstandene Lücke des OberkiefersFehlender Schneidezahn 1 Der fehlende Schneidezahn hat zu einer Welle im Unterkiefer geführt, der jetzt bei jeder Kaubewegung den rechten Oberkieferzahn nach außen drückt.Fehlender Schneidezahn 2 Hier ist die Welle im Unterkiefer bereits so stark ausgeprägt, dass es zu einer einseitigen Blockade des Kiefers kommt.
bei Überbiss / Unterbiss
Überbiss Je nach Symtomatik und regelmäßiger Pflege lässt sich ein solcher Überbiss korrigieren!
Ein Über- oder Unterbiss entsteht, wenn der Oberkiefer länger ist als der Unterkiefer oder umgekehrt. Ist der Oberkiefer länger, spricht man von einem Überbiss, ist der Unterkiefer länger, handelt es sich um einen Unterbiss.
Ungleich lange Kiefer kommen häufig vor, selten sind sie aber so extrem wie in den folgenden Bildern. Obwohl die unpassenden Kiefer genetisch bedingt sind, sollten Über- oder Unterbiss unbedingt behandelt werden. Wird bei einer solchen Fehlstellung nicht korrigiert, verstärkt sich das Problem im Laufe des Pferdelebens immer mehr und eine Blockade des Kiefergelenks und Schmerzen für das Pferd sind die Folge. Wenn die Fehlstellung nur geringgradig ist, läßt sie sich durch geeignete Behandlungsmethoden erheblich verbessern. Zu beachten ist auch, das nicht zueinander passende Kiefer auch im Backenzahnbereich zu Fehlstellungen und Problemen führen. Auch ein geringgradiger Überbiss wirkt sich durch die Blockierung des Kiefergelenks nachteilig auf die Rittigkeit des Pferdes aus.
Unterbiss stark 1 Um eine weitere Verschlimmerung zu verhindern, sollte behandelt werden!Überbiss Extrem 1 Die Aufgabe des Zahnbehandlers besteht hier darin, zu verhindern, dass die unteren Schneidezähne sich in den Gaumen des Oberkiefers bohren.
Überbiss extrem 2 Die Aufgabe des Zahnbehandlers besteht hier darin, zu verhindern, dass die unteren Schneidezähne sich in den Gaumen des Oberkiefers bohren.Unterbiss stark 2 Auf diesem Bild lässt sich gut erkennen, dass sich die Fehlstellung bei Nichtbehandlung aufgrund der immer länger werdenden Zähne weiter verschlimmern wird. Außerdem ist hier dringend der Zahnstein zu entfernen.
Der weite Kauausschlag beim Fressen von Rauhfutter ist notwendig, um die Backenzähne in der gesamten Breite abzunutzen. Wird allerdings Getreide, Pellets, Heucobs und Ähnliches gefüttert, muss das Pferd eher quetschen als mahlen. mehr >>
Haken entstehen ebenfalls durch mangelnden Abrieb. Hier liegt der erste Zahn des Unterkiefers etwas weiter zurück, wie sein Gegenspieler im Oberkiefer. Wenn der erste untere Backenzahn weiter vorn steht bildet sich dort der Haken. mehr >>
Weitere Probleme am Backenzahn beim Pferd: Scherengebiss durch einseitiges Kauen, Wellengebiss, Stufengebiss bzw. Treppengebiss, Meißelzahn, Supernumeri, verkippte oder versprengte Zähne, Zahnfrakturen, Zahnwurzelvereiterungen mehr >>
Das Urpferd hatte viel mehr Zähne als das heutige Hauspferd. Mit der Änderung des Lebensraums vom Wald zur Steppe änderte sich auch die Nahrungsgrundlage, und einige der Zähne verschwanden im Laufe der Evolution. mehr >>
Hengstzähne sind von der Natur als Kampfzähne angelegt und werden nicht beim Kauen benötigt. Probleme entstehen, wenn die Hengstzähne mit der Zeit scharfe Kanten bilden und dadurch die Bewegung der Zunge stören. mehr >>